Leben (Biologie)
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Unter Leben versteht man in der Biologie die Gesamtheit der für Lebewesen charakteristischen Eigenschaften, die auf physikalisch-chemischen Prozessen beruhen. Eine exakte und umfassende naturwissenschaftliche Definition von Leben, die für so verschiedene Organismen wie Bakterien und Säugetiere gültig ist, ist nicht zweckmäßig. Drei wesentliche Eigenschaften haben sich aber als für alle Lebewesen zutreffend herauskristallisiert: a) Metabolismus während zumindest einer Lebensphase (d.h. Aufnahme und Umwandlung von chemischen Verbindungen, auch zur Energiegewinnung), b) potentielle Fähigkeit zur Selbstreproduktion, und c) die mit der Selbstreproduktion verbundene Mutagenität (Variabilität) als Bedingung evolutionärer Entwicklung.
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Entstehung von Leben (auf der Erde)
(siehe hierzu ausführlich Chemische Evolution)
Zur Entstehung von Leben auf der Erde gibt es zum Teil sehr widersprüchliche Theorien und Hypothesen.
Eine der bekanntesten Hypothesen wurde 1953 vom Chemiker Stanley Miller mit seinen Ursuppen-Experimenten aufgestellt. Darin beweist er, dass die in einer den präbiotischen Bedingungen ähnlichen Umgebung mittels Zufuhr von Energie (Blitzen) aus anorganischen Verbindungen (Wasser, Methan, Ammoniak und Wasserstoff) organische (zum Teil sehr komplexe) Verbindungen wie Aminosäuren und niedere Carbon- und Fettsäuren – einige der wesentlichen Biomoleküle – entstehen können. In späteren meist komplizierter aufgebauten Ursuppenversuchen konnten alle wesentlichen Bausteine des Lebens, Aminosäuren, Lipide, Purine (Nucleotidbasen) und Zucker, als auch die komplizierten organischen Verbindungen Porphyrine und Isoprene erzeugt werden (einen ausführlichen Artikel zur chemischen Evolution finden Sie unter diesem Stichwort).
In neuerer Zeit kamen einige andere Hypothesen zur Entstehung von Leben auf der Erde in Diskussion, z. B. die Entstehung an katalytischen Oberflächen, besonders um die Enantioselektivität (Enantiomere) der Bausteine des Lebens zu erklären oder Entstehung von Leben in den sehr heißen Hydrothermalen Quellen – heiße schwefelhaltige Quellen an Meeresböden.
Die Entstehung von Leben aus dem „Nichts“ lässt sich auf einen Nenner bringen: Hierbei spielt die RNA, die mit dem Träger der Erbinformation DNA eng verwandt ist, eine große Rolle. Diese hat die Eigenschaft, sich selbständig zu kopieren. Ihre spontane Entstehung aus den weiter oben angegebenen organischen Stoffen ist in der Natur begünstigt. Auch die Entstehung von Doppelmembranen ist in der Natur erklärbar. Bereits auf diese Weise lässt sich die begünstigte Entstehung sehr einfacher Zellen ableiten, die eben insbesondere aus Erbinformationen im Zellkern und Membranen zum Schutz der Zellen bestehen. Die Verschachtelung mehrerer einfacher Zellen zu komplexeren Zellen ist durch die Endosymbiontentheorie belegt. Über den Prozess der Evolution enstanden so mit der Zeit immer komplexere Lebewesen, u. a. auch der Mensch.
Eine sehr alte Hypothese zur Entstehung von Leben auf der Erde ist die sogenannte Panspermie-Hypothese. Diese vertritt im Wesentlichen die Entstehung von Leben durch 'Animpfen' der Erde mit niederen, bakterienähnlichen Lebensformen aus dem Weltall. Diese Hypothese verschiebt das Problem der Entstehung von Leben aber nur auf einen anderen Ort und ist daher eigentlich keine Erklärung für das Entstehen von Leben im Allgemeinen.
Bei aller Unsicherheit über die konkrete Entstehung von Leben auf der Erde scheint sicher zu sein, dass sich nur eine Form von Leben, nämlich die auf Nukleinsäuren (RNA und DNA) beruhende, durchgesetzt hat (falls es je mehrere verschiedene gegeben haben sollte). Das wesentliche Indiz für diese Theorie besteht in der Gleichheit der Bausteine der zwei wesentlichsten lebenstypischen Makromoleküle (Nukleinsäuren und Proteine), die fünf Nukleotide und die 20 Aminosäuren in allen bekannten Lebensformen, insbesondere aber auch der universell gültige genetische Code.
Man nimmt auch an, dass das Entstehen neuen Lebens auf unserer Erde jetzt nicht mehr möglich ist, da alle Ökosysteme bereits von Leben besetzt sind und die Entstehung neuen Lebens unter dem Konkurrenzdruck anderer Lebewesen unmöglich ist.
Grenzfälle biologischen Lebens: Viren
Viren sind bei strenger Auslegung der Definition für Leben keine Lebewesen, da sie sich weder selbstständig fortpflanzen, noch wachsen, noch einen Stoffwechsel haben. Andererseits sind sie dazu fähig, sich durch Mutation an äußere Einflüsse anzupassen und ihre Erbinformationen weiterzugeben.
Die Existenz der Viren könnte zeigen, dass es in der Lebensentstehung einen Übergang von "noch nicht lebendig" zu "lebendig" gegeben haben kann. Allerdings könnten sich die Viren auch aus "echten" Lebewesen wie den Bakterien entwickelt haben.
Je weiter man zur Grenze des Lebens vordringt, desto unschärfer wird sie. Viren lassen sich beispielsweise kristallisieren. Sie bestehen aus Proteinhülle und Nukleinsäurekern. Es gibt unter geeigneten Versuchsbedingungen die Degeneration von Viren zu Viroiden. Diese bestehen dann nur noch aus vermehrungsfähiger Nukleinsäure. Man könnte diese Viroide als "nackte" Viren bezeichnen.
Mischt man solche Viroide und ihre Mutterviren in einem Gefäß, dem man permanent frische Nukleinsäuren und Aminosäuren hinzufügt, so vermehren sich die Viroide schneller als die echten Viren. Um infektiös zu bleiben, ist die Proteinhülle für sie nicht mehr nötig. Aus dem Virusgenom geht der Teil, der die Hülle kodiert, verloren.
Mittlerweile ist es gelungen, die Sequenz des Kinderlähmungsvirus in einem DNA-Syntheseapparat künstlich zu erzeugen. (Auf die gleiche Weise hat man bereits viele weitere DNA- und RNA-Abschnitte für gentechnische Experimente erzeugt). Den DNA-Strang hat man dann in Zellen eingeschleust und es entstanden komplette, künstliche Polioviren.
Philosophisch-Historische Grundlagen
In der Philosophie ist Leben das Wesen des Organischen. In der Antike ist der Begriff gleichbedeutend mit der Fähigkeit, sich selbst zu bewegen. Antreibende Kraft hierfür ist die Seele.
Aristoteles unterscheidet drei verschiedene Arten von Leben, die er hierarchisch anordnet und den Lebewesen zuordnet:
Eine andere historische Vorstellung besagte, dass Leben sich aus Unbelebtem immer wieder neu bildet, zum Beispiel in einem Heu-Wasseraufguss. Diese Theorie wurde als Urzeugung bezeichnet. Louis Pasteur konnte dieses experimentell widerlegen.
In der Neuzeit entwickeln sich zwei gegensätzliche Grundauffassungen:
- Mechanismus: Leben lässt sich allein aus den Gesetzmäßigkeiten der Bewegung der Materie vollständig erklären. (siehe auch: Materialismus und Physikalismus)
- Vitalismus: Leben kommt nur den organischen Erscheinungsformen zu und unterschiedet sich qualitativ von anorganischen Erscheinungsformen: Alles Lebendige zeichnet sich durch eine zielgerichtet formende Lebenskraft (vis vitalis) aus. (siehe auch: Idealismus). Lange Zeit wurde die Auffassung in der Biologie vertreten, dass im Zellsaft, im Protoplasma, diese besondere Lebenskraft stecken würde. In Anlehnung an religiöse Vorstellungen wurde angenommen, dass es 'belebte' und 'unbelebte' Materie gebe. Diese Vorstellung spiegelt sich noch in der Wortwahl "organische Chemie" und "anorganische Chemie" wieder. Heute ist jedoch bekannt, dass jede organische Substanz aus anorganischen Bestandteilen hergestellt werden kann (erstmals: Harnstoffsynthese durch Friedrich Wöhler).
Der Organizismus kann als Synthese dieser beiden Ansätze angesehen werden: Lebensvorgänge lassen sich zwar durch die Prinzipien der Physik und Chemie erklären. Lebewesen besitzen aber auch Eigenschaften, die unbelebte Materie nicht aufweist. Dies sind emergente Eigenschaften, die sich einerseits aus der Komplexität von Lebewesen, andererseits durch die besondere Rolle ihres genetischen Programms ergeben.
Nach Ernst Mayr ist der Begriff „Leben“ nur der zum Ding gemachte Vorgang „Leben“ und existiert nicht als selbständige Entität.
Die Biologie als Wissenschaft untersucht alle Erscheinungen auf allen
Systemebenen des Lebens. Die Biophysik untersucht bestimmte Teilaspekte auf der
Grundlage physikalisch-chemischer Prozesse.
Die naturwissenschaftliche Definition von Leben enthält einen Satz von Merkmalen, die erst in ihrer Gesamtheit ein Lebewesen beschreiben. Einige dieser Merkmale findet man auch bei technischen,
physikalischen und chemischen Systemen, andere Merkmale sind nur den Lebewesen zu eigen.
Beginn des Lebens
Eine naturwissenschaftliche Definition für Leben im Sinne von „lebendig sein“ korrespondiert mit der naturwissenschaftlichen Definition für Lebewesen. Wird für Lebewesen das genetische Programm, seine Funktionalität und seine Entwicklung als essentiell angenommen, dann ergibt sich für den Beginn des Lebens der Zeitpunkt, zu dem Moleküle als Träger des Programms und weitere Hilfsmoleküle zur Realisierung, Vervielfältigung und Anpassung dieses Programms dergestalt in Wechselwirkung treten und von einander abhängig sind, dass eine Einheit höherer Ordnung entsteht, die neue, emergente Eigenschaften aufweist.
Die phylogenetische Frage nach der Entstehung des Lebens beinhaltet die Fragen, ob es eine Zeit gab, in der noch keine Leben auf der Erde existierte, und wann und wie ein unbelebtes System zu einem belebten wurde.
Die ontogenetische Frage nach der Entstehung des Lebens beinhaltet die Frage, ab und bis zu welchem Zeitpunkt seiner Entwicklung ein Organismus als lebendig betrachtet wird.
Daraus ergibt sich eine Möglichkeit zur Definition von Entstehung (und Ende) von Leben:
Leben beginnt dann, wenn die emergenten Eigenschaften der Lebewesen entstehen, Leben endet dann, wenn diese Eigenschaften wieder verschwinden.
Dazu ist es aber notwendig, alle emergenten Eigenschaften der Lebewesen zu kennen. Auf Grund der Komplexität auch der einfachsten Lebewesen ist dies prinzipiell nicht möglich. Deswegen tritt an die Stelle einer allgemeingültigen Definition eine Vielfalt von Entscheidungen, die durch Weltanschauung, Ethos, Religion, Moral oder Pragmatismus geprägt sind.
Andere Verständnisse von Leben
Leben und Religion
Unterschiedliche Religionen sehen im Leben eine von unbelebter Materie zu unterscheidende Daseinsform, die nur aufgrund übernatürlicher Intervention entstanden sein kann. Das Leben (oder zumindest das menschliche Leben) wird dann oft als etwas besonderes (Heiliges) angesehen.
Die Naturwissenschaften hingegen versuchen, die Lebensentstehung ohne den Einfluss übernatürlicher Faktoren zu erklären und bieten dazu mehrere Theorien der präbiotischen chemischen Evolution an.
Die Vorstellung vieler Religionen vom Ewigen Leben kann aufgrund des unausweichlichen biologischen Todes nicht wissenschaftlich behandelt werden. Aus Sicht der Wissenschaft stellt sie allenfalls eine Hypothese dar. Auch das gesamte Leben auf der Erde findet durch die ständig ansteigende Temperatur der Sonne in den nächsten drei Milliarden Jahren sein unausweichliches Ende.
Die Ansicht vieler Religionen, Leben oder menschliches Leben sei heilig und daher prinzipiell erhaltenswürdig, ist nicht in der Biologie begründbar. Denn es sind auch Lebewesen bekannt, die nur so lange überleben, bis sie sich fortgepflanzt haben. Hier scheint die Erhaltung des genetischen Codes einer Art das Hauptziel der Fortpflanzung zu sein. Das einzelne Individuum ist ein Teil dieser Fortpflanzungsstrategie, aber es wird nach Erfüllung seiner biologischen Funktion weniger wichtig. Es altert und stirbt.
Zitate
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"Rücken wir bis an die letzten Grenzen vor, an denen es noch Elemente mit dem Charakter der Totalität oder wenn man will, der Einheit gibt, so bleiben wir bei den Zellen stehen. ... Ich kann nicht anders sagen, als dass sie die vitalen Elemente sind, aus denen sich die Gewebe, die Organe, die Systeme, das ganze Individuum zusammensetzen". Rudolf Virchow
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"Leben ist, wenn eine Entität von sich eine Kopie aufgrund von Teilen herstellen kann, die alle sehr viel einfacher sind als sie selbst." Carl Woese
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Bernard Korzeniewski: "Ein Netzwerk aus unteren negativen Feedbacks, die einem höheren positiven Feedback untergeordnet sind." Damit ist ein System beschrieben, das keineswegs einzelne verkörperte Lebewesen als Leben kennzeichnet, sondern ganz allgemein sich so verhält, dass es seine Identität aufrechterhält oder reproduziert.
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"Omne vivum e vivo", Alles Leben stammt von Leben ab. Louis Pasteur. Lebewesen können unter den derzeit herrschenden Bedingungen auf der Erde nicht spontan aus unbelebter Materie entstehen. Die spontane Lebensentstehung auf der Erde unter den Bedingungen der Uratmosphäre wird damit allerdings nicht ausgeschlossen.
Außerirdisches Leben (Extraterrestrisches Leben)
Seit Jahrhunderten haben sich Menschen darüber Gedanken gemacht, ob es Leben auf anderen Planeten gibt und wie dieses wohl aussieht. Vorstellungen von "kleinen grünen Männchen" oder menschenfressenden Monstern von anderen Planeten bieten Stoff für viele Geschichten und Filme.
In Gesteinen vom Planeten Mars wurden Spuren gefunden, die als versteinerte Bakterien gedeutet werden können. Zwar ist es ziemlich strittig, ob diese Bakterien wirklich welche sind, aber man kann davon ausgehen, dass dies von jedem sofort bestätigt werden würde, der nicht weiß, dass der Stein vom Mars stammt. (Siehe auch UFO und Exobiologie).
Vorschlag zu einer allgemeineren Definition
Vorschlag einer Definition die Viren und "Springende Gene" (Transposons) mit einschließt: Das Leben ist durch sich selbst reproduzierende Moleküle gekennzeichnet. Auf der Erde sind dies DNA und RNA. Komplexer entwickeltes Leben umfasst Aufbau und Erhaltung einer künstlichen Umgebung zur verbesserten Selbstreproduktion (Zelle). Evolution beruht auf der Konkurrenz der selbstreproduzierenden Moleküle um die Rohstoffe zur Selbstreproduktion.
Es gibt Dauerformen des Lebens, beispielsweise Pilzsporen oder manche Samen, die sehr widrige Umwelteinflüsse wie starke Trockenheit, Hitze und Kälte überstehen können.
Leben in seiner vorhandenen komplizierten Form beispielsweise der Säugetiere ist wahrscheinlich nicht künstlich erzeugbar, da solche Großtiere aus Millionen einzelner Zellen bestehen.
"Erfolgreichste" Tierart auf der Erde: Antarktischer Krill, Euphausia superba, mit einer Biomasse von wahrscheinlich über 500
Millionen Tonnen.
Nicht-Biologische Systeme
Feuer
Das Feuer entspricht fast allen Grundkriterien des Lebens:
Es hat einen Stoffwechsel, welcher grundsätzlich derselbe ist wie bei jeder anderen Form des Lebens, die wir kennen, nämlich die Oxidation von Kohlenwasserstoff- Verbindungen zu Kohlendioxid wobei Energie in Form von Wärme entsteht.
Es wächst und pflanzt sich fort, solange es genährt wird.
Und es reagiert auf äußere Einflüsse.
Und doch ist Feuer kein Lebewesen, da es keinen Körper besitzt.
Künstliches Leben
Die Frage nach künstlichem Leben ist zweiteilig:
- die Herstellung eines bekannten Lebewesens im Labor, und
- die Herstellung neuer Lebensformen.
1. Obwohl man nicht erwartet, mehrzellige Organismen in naher Zukunft zu erzeugen, ist es schon gelungen, den Polio-Virus im Labor herzustellen. Damit ist es zwar gelungen, ein biologisches System zu erzeugen. Es konnte aber dabei nicht einmal auf die Mithilfe von Zellen verzichtet werden. Viren zeigen nicht alle Kennzeichen der Lebewesen, sind damit also per definitionem keine Lebewesen.
2. Es gibt Vorstellungen, dass komplexe Computersysteme künstliche Intelligenz und künstliches Leben zeigen können (siehe KI und KL).
Simulationen von Lebensäußerungen
Conways Game of Life ist ein Beispiel für die Simulation von Populationsentwicklung.
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